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Aufbau einer qualitätsgesicherten Open-Access-Publikationsplattform – die drei wichtigsten Überlegungen aus Sicht einer Publikationsmanagerin

Konkrete Hilfestellungen beim Aufbau einer qualitätsgesicherten Open-Access-Publikationsplattform stellen bisher ein Desiderat in der Praxis vieler wissenschaftlicher Bibliotheken dar. Fragen wie „Was muss ich beachten, wenn ich eine Publikationsplattform aufbauen möchte?“, „Welche Ressourcen habe ich dazu zur Verfügung?“ und „Wie kann ich zeigen, dass die Plattform vertrauenswürdig ist und allen qualitativen Ansprüchen genügt?“ tauchen bei allen auf, die sich mit dem Gedanken tragen, eine OA-Publikationsplattform aufzubauen. Dieser Blogbeitrag stellt die drei wichtigsten Überlegungen dazu dar.

von Ursula Arning

1) Projektmanagement:

Wie bei jedem Projekt sind auch hier die Grundsätze des Projektmanagements anwendbar. Ganz zu Beginn sollten daher die Konzeptionierung und damit die Festlegung des Verwendungszwecks der Plattform stehen. Dazu zählt zwingend auch eine Zeitplanung:

Inhaltlich: Beim Aufbau einer Plattform ist zuallererst die Frage zu stellen, ob die Institution den Grünen Weg, also insbesondere Zweitveröffentlichungen, unterstützten möchte oder mit ihrer Plattform Erstveröffentlichungen im Open Access Gold ermöglichen wird. Sollen eventuell auch Forschungsdaten veröffentlicht werden? Kann es Gründe geben, nicht sofort alles offen (Open Access) zur Verfügung zu stellen? Ist in dem Falle eine Embargo-Funktion anzubieten, so dass die Artikel nach dieser Zeit automatisch freigeschaltet werden? Welchen Zeitraum soll diese Frist umfassen? Weitergehend ist zu entscheiden, welche Publikationsarten veröffentlicht werden – handelt es sich also um Zeitschriften, Bücher oder Kongresse? Und welche Besonderheiten sind dementsprechend beim Publikationsprozess zu erwarten? Je nach Disziplin verläuft das Review-Verfahren unterschiedlich. Auch die Frage der Lizenzvergabe (z.B. Creative Commons) für die Publikationen sollte möglichst zu Anfang geklärt werden. Um allen Beteiligten auf einen Blick ihre Rechte und Pflichten darzustellen, ist es hilfreich, diese Punkte in einer öffentlich zugänglichen Policy transparent zusammenzufassen.

Technisch: Die konzeptionellen Inhalte wirken sich auf die Wahl der zur nutzenden Infrastruktur aus. Welches System ist dafür am besten geeignet? Soll es ein Open-Source-System sein? Gibt es Gründe, warum man lieber ein System einkaufen möchte? Welche technischen Entwicklungen sind bereits vorhanden? Dazu gehören Überlegungen zur Stabilität bzw. Leistungsfähigkeit des Systems. Ist z.B. mit einer Expansion des Publikationsverhaltens zu rechnen, so dass eine Skalierbarkeit der Server notwendig ist? Wenn nur eine Zeitschrift publiziert wird oder nur Text sind die benötigten Speicherplatzkapazitäten andere, als wenn man plant, mehrere Zeitschriften oder zusätzlich dazugehörige Forschungsdaten zu veröffentlichen. Wie sieht es mit der Langzeitarchivierung der Veröffentlichungen aus? Gibt es schon Lösungen dazu im Haus? Welche Schnittstellen dazu muss die Plattform aufweisen? Auch Überlegungen zur Barrierefreiheit sowie der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sollten von Anfang an mit bedacht werden, um entsprechende und kompatible Publikationsformate zu erstellen.

Zeitplan: Umso konkreter der Zeitplan erstellt wird, umso valider ist die Kalkulation beispielsweise bezüglich des benötigten Personals. Viele zu erledigende Schritte hängen miteinander zusammen und sind bei einem guten Projektmanagement miteinander in Verbindung zu bringen und zu überwachen: Bis zu welchem Zeitpunkt sind welche Meilensteine beim technischen Aufbau der Plattform abgeschlossen? Ab wann kann mit den ersten Veröffentlichungen gerechnet werden? Ab wann sind erste Marketingmaßnahmen und Akquise der Publikationen sinnvoll? Wer ist wann über die Plattform und deren Entwicklung in Kenntnis zu setzen? Müssen Workshops zur Nutzung der Plattform eingeplant werden?

Tipp: Allgemein ist bei Entwicklungsprojekten von einer Verzögerung der Entwicklungsplanungen auszugehen und somit ein größerer Zeitpuffer einzuplanen.

2) Ressourcen

Unumgänglich sind auch Überlegungen zu den finanziellen Möglichkeiten. Dazu gehört eine möglichst genaue Kalkulation aller Kosten und die Gegenüberstellung aller vorhandenen und eventuell zusätzlicher benötigter Ressourcen, also sowohl Personal- als auch Sachkosten.

Personal: Die Planung der personellen Ressourcen baut auf der vorherigen konzeptionellen Entscheidung auf: Möchten Sie (nur) das technische System zur Verfügung stellen? Müssen Sie zumindest zeitliche Aufwände für den technischen Support berechnen? Bauen Sie zusätzlich eine Redaktion auf, die z.B. das Korrektorat übernimmt und eventuell auch das Management des Review-Prozesses, ist dieser Personalbedarf gesondert zu kalkulieren. Vielleicht möchten Sie über diese Services hinaus auch Beratungen rund um den Publikationsprozess wie auch zu urheberrechtlichen Fragen anbieten und ganz nah an den Forschenden arbeiten? Dafür benötigen Sie einen sogenannten Publikationsmanager, der die Akquise betreibt und den Publikationsworkflow begleitet. Während der Aufbauphase der Plattform sollten Sie einen Projektmanager einplanen, der den Fortgang des Aufbaus der Publikationsplattform überwacht und alle Beteiligten jeweils zusammenbringt, um möglichst zeitnah bei Problemen eingreifen zu können. Sie müssen sich bei den Planungen auch darüber klarwerden, welche Kompetenzen im Sinne von Fähigkeiten und (Fach-)Kenntnissen die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sollten. Können Sie dafür Personal aus der Belegschaft gewinnen, das sich für diese neue Arbeit engagieren möchte (eventuell nach einer Fortbildung oder Zusatzqualifikation) oder benötigen Sie neue Kolleginnen und Kollegen für die entsprechend Ausschreibungen vorbereitet werden müssen?

Sachkosten: Die Kosten für die aufzubauende Infrastruktur sind nicht zu unterschätzen. Auch wenn man sich für eine Open-Source-Lösung entscheidet, die kostenlos zur Verfügung steht, werden kleinere Entwicklungsarbeiten für institutionelle Anpassungen anfallen. Auch wird man sich um Lösungen bezüglich Wartung und Hosting der Plattform kümmern müssen. Wie viele Server oder virtuelle Maschinen sowie Lizenzen müssen eingeplant werden? Und schon in kleinere Details gehend: Gibt es ein Sicherheitszertifikat für die Webseiten?

Wie hoch die finanziellen Aufwände dafür einzurechnen sind, hängt davon ab, ob eine Auftragsvergabe an einen Drittanbieter (Entwicklungsfirma außer Haus nach einem entsprechenden Ausschreibungsverfahren) erfolgt oder man auf spezifische Kompetenzen im Haus zurückgreifen kann, die eventuell intern verrechnet werden.

Tipp: In Betracht zu ziehen ist, dass für den Aufbau der Infrastruktur eventuell Fördermittel (z.B. durch die DFG) zur Verfügung stehen.[1]

3) Qualität

Schon beim Aufbau von Publikationsplattformen, sei es Gold oder Grün, sollte auf die Qualitätssicherung geachtet werden. Dazu stehen z.B. die Vorgaben bzw. Empfehlungen der DINI e.V. (Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V.)[2] quasi als Anleitung zur Verfügung, die im besten Fall in der Zertifizierung der Plattform münden. Zu den bekanntesten internationalen Entwicklern von Qualitätskriterien und deren Standards gehören die Open Access Scholarly Publishing Association (OASPA)[3], bei der man Mitglied werden kann, wenn man deren Kriterien erfüllt. Die Mitgliedschaft bedeutet damit quasi ein Qualitätssiegel. Im Bereich der Publikationsethik ist die Initiative Committee on Publication Ethics (COPE)[4] zu nennen, auf deren Kriterien man zumindest auf den Webseiten oder in den Policies verweisen sollte. Des Weiteren haben die Initiativen OpenAIRE[5] und Plan S[6] Qualitätskriterien herausgegeben, die für die Plattformen verbindlich zu beachten sind, sollten auf ihnen Publikationen veröffentlicht werden, die von den Partnern gefördert wurden.

Zu den Begutachtungskriterien gehören allgemein die Zugänglichkeit der Plattform, die Sichtbarkeit, die Zurverfügungstellung von Schnittstellen und Statistiken sowie die Beachtung rechtlicher Bestimmungen, die (Langzeit-)Archivierung wie auch die Nachhaltigkeit des Angebots. Die Plattformen entsprechen bei Erfüllung den höchsten Qualitätskriterien und Standards und werden von den Herausgeberinnen und Herausgebern sowie den Autorinnen und Autoren somit als vertrauenswürdig wahrgenommen.

Weiterführend

ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften hat 2020 einen „Leitfaden zum Aufbau von Open-Access-Publikationsplattformen für den Goldenen und Grünen Weg“ [7] herausgebracht, der den oben vorgestellten Fragen detailliert nachgeht. Zusätzlich zu den konzeptionellen und finanziellen Überlegungen sind im Leitfaden auch nachnutzbare Open-Access-Gold- (bzw. -Grün) Softwarelösungen und Publikationstools verzeichnet, mit denen bereits einige Plattform-Betreiberinnen und -Betreiber arbeiten. Zusätzlich werden technische Anforderungen an OAI- und OpenAIRE-Schnittstellen dargestellt, da es für Plattformen essentiell ist, dass die Veröffentlichungen auch sichtbar sind und in die gängigen Datenbanken eingespeist werden. Darüber hinaus helfen die Definitionen wichtiger Begriffe – dargestellt in farblich gekennzeichneten Boxen – Einsteigerinnen und Einsteigern beim Einarbeiten in die Thematik.

Wenn Sie selber mit ein bisschen technischem Know-how ein System testen möchten, steht Ihnen z.B. die VirtualBox des hbz NRW (Hochschulbibliothekszentrum des Landes NRW) zur Verfügung: https://github.com/hbz/to.science/tree/master/vagrant/ubuntu-14.04

Fazit:

Der Aufbau einer Publikationsplattform muss gut überlegt sein, da er einiges an Ressourcen bindet. Dafür kann man seinen Forschenden eine qualitätsgesicherte, vertrauenswürdige Publikationsplattform anbieten. Inzwischen gibt es aber auch viele Partner im öffentlichen Bereich, die z.B. Open-Source-Systeme als kooperative Lösung anbieten und das Hosting und die Wartung übernehmen. Dazu zählt neben dem PUBLISSO-System z.B. auch das Open Journal System (OJS)[9].

Um bei den konzeptionellen Planungen nicht alleine zu stehen, empfiehlt sich der Austausch. Wertvolle Unterstützung können in diesem Bereich beispielsweise Mitglieder der AG Universitätsverlage oder der DINI AG elektronisches Publizieren (DINI e-Pub) durch ihre eigene jahrelange Arbeit und Erfahrung leisten.

* Dieser Blogbeitrag ist auch im Blog der DINI AG FIS & E-Pub erschienen sowie in der englischen Version im Blog der IFLA Section Academic and Research Libraries


Quellen:

[1] Vgl. https://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/index.html [zuletzt abgerufen: 24.02.2021].
[2] Siehe https://dini.de/dienste-projekte/dini-zertifikat/ [zuletzt abgerufen: 24.02.2021].[3] https://oaspa.org/ [zuletzt abgerufen am 24.02.2021].
[4] https://publicationethics.org/ [zuletzt abgerufen am 24.02.2021].
[5] Siehe https://www.openaire.eu/ [zuletzt abgerufen am 24.02.2021].
[6] Siehe https://www.coalition-s.org/ [zuletzt abgerufen: 24.02.2021].
[7] Der Leitfaden ist im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts „SynOA-Pub“ entstanden und gründet auf Interviews mit Software-EntwicklerInnen von Publikationsplattformen sowie auf den eigenen Erfahrungen beim Aufbau der PUBLISSO – Publikationsplattform Gold und dem PUBLISSO – Fachrepositorium Lebenswissenschaften. Hinzugezogen wurden Standards, wie sie im Hinblick auf die Erlangung des DINI-Zertifikats bereits etabliert wurden oder für die Erfüllung der Vorgaben aus Plan S wichtig sind. S. Beringer, C, Arning, U (2020), Leitfaden zum Aufbau von Open-Access- Publikationsplattformen für den Goldenen und Grünen Weg, DOI: 10.4126/FRL01-006419770.
[8] https://www.publisso.de/open-access-publizieren/ [zuletzt abgerufen: 24.02.2021].
[9] https://ojs-de.net/start [zuletzt abgerufen: 24.02.2021].

DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/tgth-br10